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3 Tage, 77 Kilometer

Ruderboote wenden auf dem Störkanal.
Windschatten im Störkanal – am Sonntag war das die Gelegenheit für eine Verschnaufpause.

Ein Baum im Wasser, Wellenschlag, Neuwasser sowie Chili und Gemüsesuppe: Beim Landeswanderrudertreffen (LWRT) in Schwerin ließen es sich Mecklenburg-Vorpommerns Ruderinnen und Ruderer gut gehen – im Boot und an Land. Die Schweriner RG war 2019 Gastgeber des LWRT und hatte eine dreitägige Wanderfahrt organisiert.

Gut 30 Ruderinnen und Ruderer waren nach Schwerin gekommen, um das Ruderrevier zu entdecken oder wiederzuentdecken. Am Freitag Nachmittag ging es – sozusagen zum Aufwärmen – zunächst vom SRG-Bootshaus zu einer lauschigen Tour zum Spieltordamm. Traditionell versorgten die Obleute die Gäste mit Infos über Sehenswürdig- und Merkwürdigkeiten entlang der Strecke. So gab es Hintergründe über ehemalige Gebäude des Focker-Flugzeug-Werkes, zum Segelsport, zu Untiefen, zum Tauchverbot im Ziegelinnensee und vielem mehr.

Während die Boote noch unterwegs waren, hatte Kjell Lübbert schon den großen Gaskocher angeschmissen. In der Grillecke brutzelten haufenweise Hackfleisch, Bohnen und Mais in Pfannen und Töpfen – daneben blubberten drei Kilo Reis. Das sollte reichen für die Abendverpflegung im großen beigen DRK-Zelt, das SRG-Wanderwartin Kirstin Pingel neben vielen anderen Dingen für das LWRT organisiert hatte. Während also die Fahrt noch lief, kümmerten sich hilfsbereit SRG-Ruderinnen und -Ruderer ums perfekte Catering – so wie an den beiden folgenden Tagen auch.

Nach den ersten zwölf Kilometern am Freitag stand am Sonnabend zunächst das gemeinsame Frühstück und dann eine schöne lange Fahrt auf den Schweriner Außensee an. Ziel: Gallentin. Der am Freitag noch recht fluffige Westwind hatte sich über Nacht in sein unheilvolles Treiben regelrecht hineingesteigert, so dass schon die Hinfahrt mit vier gesteuerten Gig-Vierern, einem ungesteuerten Vierer und einem gesteuerten Zweier zu einem streckenweise recht ruppigen Abenteuer geriet. Aber das war noch kein Vergleich zur Rücktour. Um so besser war es also, dass Wanderwartin Kirstin und Fahrtenleiter Knut Mehl sozusagen die punktgenaue Lieferung des Mittagessens zur Badestelle nach Gallentin geordert hatten. Es gab: Wunderbar wärmende Gemüsesuppe aus dem Restaurant Ruderhaus und Kjells Chili.

Nach der Hinfahrt über Innensee und Paulsdamm mit Schiebewind geriet die Rückfahrt mit fortschreitender Tageszeit immer stürmischer. Nach einer nahezu windstillen Ruhepause bei der Fahrt durch den langen Graben mit seinem umgekippten Baum in der Mitte gings danach auf dem Ziegelaußensee erst richtig los. Auch dort wieder Schiebewind zwar, aber kabbeliges Wasser. Dennoch: Das war immer noch kein Vergleich zur Abschlusstour am Sonntag. Nach einigen Schlenkern auf den Seen und der langen Tour über den Außensee sowie einer abschließenden Schlossrunde stiegen die Teilnehmer aus Rostock, Anklam, Wolgast, Stralsund, Mirow, von Rügen und aus Schwerin nach 41 Kilometern wieder aus den Booten. Jeder, der so etwas schon mal erlebt hat, kennt das erhebende Gefühl, dann nach einer Flasche wohltemperierten Biers greifen zu dürfen.

Das alles ist natürlich und vor allem auch deshalb reibungslos gelaufen, weil die SRG-Fahrtenleitung an der Halbinsel Oberförster am Außensee mit Inbrunst darauf bestanden hat, den Namenspaten des Eilands, eben jenen Oberförster, mit einem dreifach donnernden „Pierschiet, Ahoi!“ gnädig zu stimmen. Nur dann erweist der längst Verblichene, aber der Legende nach zuweilen immer noch unheilvoll wirkende Wald-Arbeiter sich als einigermaßen gnädig gegenüber denjenigen, die übers Wasser an seiner schönen Halbinsel vorbei wollen. Dabei hat der gnadenlose Oberförster sein eigenes Unglück selbst verschuldet, weil er seiner Tochter die Liebe zu einem Fischer nicht gegönnt haben soll und darum alles, was mit dem See zu tun hat, für alle Zeit mit einem gnatzigen Fluch belegt haben soll. Nun gut, wenn man weiß, wie man diesen abzuwenden hat, ist ja alles im waidgrünen Bereich. Die Wanderruderer beim LWRT jedenfalls konnten auf Knut Mehls und Hanning Wüsthoffs glaubhaft vorgetragene Expertise vertrauen und stimmten zuversichtlich kräftig in das Pierschiet-Gebrüll mit ein.

Für eine Gruppe von zehn Ruderinnen und Ruderern stand aber nach der glücklichen Rückkehr zum Bootshaus am Franzosenweg noch eine Besichtigungstour auf dem Programm. Der SRG-Vorsitzende Christian Kohlhof hatte versprochen, den Gästen seinen Arbeitsplatz zu zeigen: Die Hörfunkstudios von NDR 1 Radio MV im Landesfunkhaus um die Ecke. Nach eineinhalb Stunden am Mikrofon und zwischen Reglern und Monitoren können die Ruderbesucher nun mit Fug und Recht behaupten, dass sie nun tatsächlich sozusagen im Radio waren – auch körperlich.

Inzwischen glühte der Grill. Knackige Würstchen, saftige Steaks räkelten sich brutzelnd über der Glut, sozusagen im Akkord verteilten die SRG-Helferinnen und -Helfer Pute, Schwein und Rind. Bunte Salate und kühle Getränke rundeten das klassische Wanderfahtenmenü ab.

Der Abschlusstag hielt dann ein wahres Abenteuer bereit. Die Schweriner Gewässer sind ob ihrer Fläche anfällig für Winde jeder Art. Man hatte ja schon einen Vorgeschmack bekommen. Am Sonntag war der Plan, mit den Booten in den Störkanal zu fahren. Zwischen Kanaleinfahrt und Bootshaus liegen lediglich Zippendorfer und Mueßer Bucht. Von der Strecke her eine Lappalie. Beim sonntäglichen Westwind, nein Weststurm fast schon, war das allerdings keine durchschnittliche Überfahrt. Zwar drückte der Wind, aber Schaumkronen auf dem Wasser deuteten an: Viele Boote werden Wasser aufnehmen, und zwar nicht zu knapp. Nach dem kühnen Ritt über die Wellen und im Windschatten vor der Einfahrt zum Störkanal legten die Mannschaften zunächst ihre Boote trocken. Pützen und Schwämme hatten natürlich vorsorglich zur Grundausstattung gezählt.

Im Störkanal dann eine andere Ruderwelt. Schwalben schwirrten akrobatisch und wie von Sinnen halsbrecherisch knapp über der spiegelglatten Wasseroberfläche um die Boote herum. Idylle pur, bloß unterbrochen durch eine Autobahnbrücke und eine Hochspannungsleitung. Die Gelegenheit, Kraft zu schöpfen für die Rücktour. Die gestaltete sich – man ahnt es – als spritziger, um nicht zu sagen knallharter Wellenritt. Die Windrichtung ließ auch gar keine Wahl zu irgendwelchen ausgeklügelten Kursen: Man musste da einfach durch dieses Wellen-Inferno durch, zurück Richtung Schlossbucht. Manche Boote wählten den Stichkanal zwischen Mueß und Zippendorf als fünfminütige Verschnaufpause, anderen buchten das volle Programm und fuhren außen rum, manche quer durch, andere unter Land. Ergebnis am Ende: Alle hatten Wasser im Boot, viel Wasser. Bis auf den gesteuerten Zweier, dieser hatte sich besonders tapfer über die insgesamt 24 meist stürmischen Kilometer gekämpft – ohne sonderlich viel Wasser einzusammeln.

Zum Abschluss gabs dann noch eine gemeinsame Kaffeetafel, zunächst unter freiem Himmel. Aber weil bis dahin noch so ein richtig zünftiger Regenschauer gefehlt hatte, reichte der Himmel diesen überschwänglich nach – und so sah man 30 Wassersportler mit Kaffeetassen und Kuchentellern in den Händen zurück zum Zelt hetzen.

Für manche Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren die Fahrten am Wochenende auch ein Ausflug auf Neuwasser: Für sie waren es die ersten Touren auf unseren Seen. Dies wird dann traditionell mit einem stärkenden Schluck begossen. Die nächste Gelegenheit dazu gibt es beim Landeswanderrudertreffen 2020 in Wolgast. Mal sehen, wie da so der Wind weht – und woher.

Das LWRT-Gedicht

Eine stürmische Fahrt wie am Sonntag hat manchmal besondere Auswirkungen. Die Anklamer Gäste haben ein Gedicht verfasst. So lautet es:

Schwerin, 7.7., nach 77 Ruderkilometern

Zimmer 7 macht Sonntag früh

eine Ruderbootpartie,

und die Männer jauchzen froh,

denn das Boot, das schaukelt so.

Fallt nicht rein, ruft Knut (der Igel),

denn ihr habt doch keine Flügel.

Wenn ihr dann ins Wasser fallt,

hach, da ist es nass und kalt.

Vielen Dank!

Das Landeswanderrudertreffen 2019 in Schwerin hat SRG-Wanderruderwartin Kirstin Pingel organisiert. Sie konnte auf die Hilfe von ganz vielen Mitglieder vertrauen, die sozusagen im Schichtdienst geholfen haben. Vielen Dank an alle, die zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle angepackt haben!